Retourenmanagement – Erwartungen versus Realität
Retourenmanagement als zentraler Bestandteil des E-Commerce
Steigende Paketvolumen, immer größere Ressourcen- sowie Emissions-Aufkommen, wachsende Retourenquoten und die komplexe Vernichtung zurückgesandter Waren sind keine kleinen Randprobleme – das Retourenmanagement sollte zentraler Bestandteil des Modells Onlineverkauf sein. Das Problem: Nie war es einfacher – und das auch teilweise noch »kostenlos« – Waren zurückzusenden. Es wird von Händlerseite im Grunde fast alles dafür getan, die Hemmschwelle für Retouren herabzusetzen. Die Anzahl der Retouren liegt in Deutschland bei fast 300 Millionen Rücksendungen. Jedes sechste Paket ist demnach eine Retoure. Rund 30 Prozent der Rückläufer kommen überhaupt nicht mehr in den Verkauf, sondern werden direkt zerstört. Dabei wäre es doch so einfach und vor allem sinnvoll, diese beispielsweise als B-Ware zurück in den Handel zu führen.
Ohnehin ist das mit dem »kostenlosen« Versand so eine Sache. »Kostenlos« ist hier irreführend. Warum auch? Die Planung, Steuerung und Kontrolle von Retouren ist nun mal ressourcen- und kostenintensiv. Und dennoch müssen Waren-, Finanz- und Informationsflüsse effizient, kostengünstig und kundenorientiert kalkuliert werden. Das ist einfach unrealistisch. Die Versand- und Retourenkosten werden immer in den Produktpreis eingerechnet. Das ist weder für Händler noch Kunden kostenlos!
Michael Atug
Patient Retourenmanagement kränkelt
Jährlich 300 Millionen Rückläufer – das ist definitiv zu viel. Das steht in keiner gesunden oder logischen Relation mehr. Was die Frage nach den Erwartungen der Kunden zur Diskussion stellt. Laut einer YouGov-Studie wünschen sich nämlich gut zwei Drittel der Deutschen durchaus mehr Nachhaltigkeitskonzepte für den E-Commerce. Klimaneutral und transparent soll es sein. Also wertschöpfende Prozesse, die Vermeidung von schädlichen Abfällen und Emissionen sowie einen effizienteren Umgang mit Material und Energie. Wo aber kommen dann die vielen Retouren her? Da gehen Anspruch und Realität doch gewaltig auseinander.
Was können Händler tun?
Jetzt könnte man sich als Händler oder Shopbetreiber gemütlich zurücklehnen und auf die Politik berufen. Gesetzesentwürfe zur Vernichtung von Neuware oder Versandkosten-Debatten sind schließlich deren Baustellen. Man könnte aber auch selbst mal aus dem Quark kommen, Eigeninitiative zeigen und proaktiv gegensteuern. So schwer ist das nämlich gar nicht. Und auch die Kunden signalisieren ja grundsätzlich Toleranz, Bereitschaft und das Verständnis für mehr Nachhaltigkeit im E-Commerce. Man muss sie nun eben nach und nach in der Kommunikation für die Sache sensibilisieren.
Mehr Informationen gleich weniger Retouren
Laut einer inRiver-Studie würden 57 Prozent der Onlineshopper deutlich weniger Bestellungen retournieren, wenn Händler mehr über den ökologischen Fußabdruck einer Retoure informieren würden. Okay. Doch das Informationsmanagement beginnt schon deutlich früher – nämlich beim Produkt selbst. Zum Beispiel vernünftige und hochauflösende Fotos. Schließlich fehlen die Haptik und die Möglichkeit Produkte live an- oder auszuprobieren. Daher auch aussagekräftige Beschreibungen und Maßangaben wie Größe oder Breite. Konkrete Beispiele sind schwer realisierbar, aber nicht unmöglich. Eventuell könnte man auch Technologien wie »Virtual Reality« (VR) oder »Augmented Reality« (AR) integrieren. Gerade was die Möbelbranche betrifft ist das eine interessante Option. Durch detaillierte Produktbeschreibungen und -präsentationen, 360-Grad-Ansichten oder eben Augmented- und Virtual-Reality lassen sich etliche Blind- und Fehlbestellungen vermeiden und so Retouren minimieren. Je mehr Daten und Informationen zu einem Produkt zur Verfügung stehen, desto weniger Überraschungen warten dann später zu Hause.
Michael Atug
Was nicht passt wird passend gemacht
Besonders Größe, Material und Art der Verpackung – recyclebar und wiederverwertbar – können dem Konsumenten die ethischen Perspektiven nahebringen und relevante Motivationstreiber sein. Allerdings sollte man den Kunden im Sinne der Nachhaltigkeit auch hier schon im Vorfeld transparent aufklären und die (Versand-)Optionen im Checkout sichtbar anbieten. Nachhaltigkeit ist ein Lernprozess. Vielleicht reicht ja auch die Wiederverwendung von Mehrfachverpackung. Wenn man den Kunden in seiner Entscheidung begleitet und sensibilisiert, dann sind auch schlechte Kundenbewertungen (verschlissene oder beschädigte Verpackungen) mittelfristig – hoffentlich – kein Thema mehr. Alternativ könnte man auch Pfandverpackungen anbieten. Was die Verpackungsgrößen betrifft kann es dagegen eigentlich keine zwei Meinungen geben. Braucht beispielsweise eine einzelne Schuhbestellung unbedingt Über-Kartonagen? Nein! Braucht sie nicht. Angemessene Verpackungsgrößen in unterschiedlichen Formaten … das war’s dann auch schon.
Fazit: Soziale Verantwortung und nachhaltiger E-Commerce
Der Wille beim Kunden ist da. Allein die Konsequenz fehlt (noch). Vielleicht auch das Verständnis. Und genau da müssen Händler ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und ansetzen. Nachhaltigkeit und Retourenmanagement sind Lernprozesse die nicht von heute auf morgen Früchte tragen. Das dauert. Händler können ihre Kunden allerdings unterstützend begleiten sowie hin und wieder, wenn nötig, auch ein klein wenig »erziehen«. Wie? Zum Beispiel durch Informationen. 360-Grad-Ansichten, Augmented-Reality und Produktbeschreibungen. Authentische und transparente Reviews zur Verfügung stellen. Psychologisch ist erwiesen, dass potenzielle Interessenten anderen Kunden eher trauen als einem Unternehmen. Das kann überflüssige Bestellungen vermeiden beziehungsweise reduzieren.
Aber auch Unternehmen selbst können von ihren Kunden lernen. Zum Beispiel mittels »Data Sourcing«: Im Rahmen der Retoure so viele Informationen wie möglich sammeln und auswerten. Je mehr Daten in relevante Informationen konvertiert werden können, desto detaillierter lässt sich in Erfahrung bringen, warum Waren überhaupt retourniert werden.